Der Nikolaus-Effekt: Er klingt so freundlich, ist er aber gar nicht. Denn unter Umständen kann der Nikolaus-Effekt für Sie ganz unangenehme Folgen haben. Doch worum handelt es sich bei dem Nikolaus-Effekt eigentlich? Hier erfahren Sie alles Wissenswerte.
Der Nikolaus-Effekt: Worüber sprechen wir und woher kommt der Begriff?
Der Nikolaus-Effekt besagt, dass Eindrücke, die man zuletzt wahrgenommen hat, stärker gewichtet werden. Das führt dazu, dass diese Eindrücke oder Beobachtungen besser in unserem Gedächtnis haften bleiben und so unser Urteil stärker beeinflussen als Wahrnehmungen, die schon älter sind. Botschaften, die zuletzt vermittelt wurden (z. B. in einem Vorstellungsgespräch oder innerhalb eines Assessment-Centers), beeinträchtigen unser Urteil also stärker als Aussagen, die zu einem früheren Zeitpunkt getätigt wurden, wenn wir dem Nikolaus-Effekt verfallen.
Es handelt sich demnach um eine Beurteilungsverzerrung, die für die zu beurteilende Person unangenehme Auswirkungen haben kann, da die beurteilende Person die wahren Fähigkeiten eventuell verkennt.
Doch woher kommt dieser romantisch wirkende Begriff „Nikolaus-Effekt“? Wir kennen es alle noch aus unseren Kindertagen: Der Nikolaus kommt und trägt aus seinem Buch die guten oder manchmal auch weniger guten Taten der letzten Zeit vor. Und die Betonung liegt hierbei eindeutig auf „der letzten Zeit“. Denn, wenn wir ehrlich sind, erinnert der Nikolaus meistens nur an die Sünden oder Lichtblicke der letzten Wochen. Die Fehler, die kleinen Sünden und auch die guten Taten, die kurz vor dem Nikolaus-Tag begangen wurden, sind also bedeutsamer als das, was Anfang oder Mitte des Jahres passiert ist (auch wenn diese Dinge vielleicht schwerwiegender waren). Der englische Begriff „Recency-Effekt“ beschreibt die Bedeutung etwas präziser.
Konkrete Beispiele, die den Nikolaus-Effekt beschreiben.
In einem Vorstellungsgespräch beschreibt der Nikolaus-Effekt also beispielsweise das Phänomen, dass die Themen oder Aussagen am Ende des Gespräches die Beurteilung des Bewerbers stärker beeinflussen als die ersten Themen oder Aussagen, die besprochen oder getätigt wurden.
Bezogen auf ein Zielerreichungsgespräch am Ende einer Beurteilungsperiode sind dem Vorgesetzten, wenn er dem Nikolaus-Effekt verfällt, die letzten Leistungen des Mitarbeiters präsenter als die Leistungen, die er am Anfang des Beobachtungszeitraums gezeigt hat. Passiert einem Mitarbeiter ausgerechnet kurz vor seiner Bewertung ein Patzer, obwohl der Rest des Jahres tadellos war, dann ist dem Vorgesetzten der Fehler präsenter als alle guten Leistungen, die zuvor erbracht wurden. Läuft der Mitarbeiter hingegen zufälligerweise erst kurz vor seiner Bewertung zu Höchstleistungen auf, dann könnte sich der Nikolaus-Effekt für diesen Mitarbeiter positiv auswirken.
Was können Sie als Recruiter tun, um nicht dem Nikolaus-Effekt zu verfallen?
Der Nikolaus-Effekt beschreibt ja das Phänomen, dass dem Gedächtnis Dinge aus der nahen Vergangenheit präsenter sind als Dinge aus der ferneren Vergangenheit. Um bei der Beurteilung nicht dem Nikolaus-Effekt zu verfallen und die letzten Ereignisse überzubewerten, gibt es ein paar Hilfestellungen:
Zuallererst hilft es schon einmal ungemein, wenn man sich der Bewertungsverzerrungen bewusst ist. Weiß man, welche Fehler man machen kann, kann man das Problem thematisieren, so dass alle Beteiligten darauf achten können.
Verlassen Sie sich nicht auf Ihre Erinnerung oder auf Ihr Gefühl, sondern machen Sie sich Notizen. Mit diesen Gedächtnisstützen gehen keine Informationen verloren. Im Bewerbungsgespräch können dies Beurteilungsbögen sein, in denen man in einem vorher diskutierten Raster Eindrücke oder Aussagen des Gespräches schnell festhalten kann. Im Rahmen von Zielerreichungsgesprächen helfen schriftliche Notizen, die man sich kontinuierlich das Jahr über macht, um Leistungen oder Fehlleistungen des Mitarbeiters nicht zu vergessen.
In Beurteilungsgesprächen können Sie Ihr Gegenüber mit in die Verantwortung nehmen. Lassen Sie gemeinsam den zu beurteilenden Zeitraum „Revue passieren“. So können beide Seiten Ihr Gedächtnis wieder auffrischen.
Mit diesen Vorsichtsmaßnahmen sollten Sie den Nikolaus-Effekt sicher umgehen können!
Neben dem Nikolaus-Effekt gibt es auch noch andere Beurteilungsfehler.
Beurteilungsfehler betreffen Verfälschungen der Beurteiler im Rahmen von Personalbeurteilungen, sei es bei der Personalauswahl, im Jahresgespräch oder bei der Entscheidung über Karrieremöglichkeiten. Sie sind meistens unbewusst und gehören somit in die Kategorie der so genannten Könnens-Probleme.
Da die Einschätzung von Personalmitarbeitern über den Erfolg im Personalrecruiting und in der Personalentwicklung entscheidet, darf der persönliche Eindruck die Wahrheit nicht verfälschen. Hier stellen wir Ihnen daher weitere typische Beurteilungsfehler vor, denn nur, wenn man den Gegner kennt, kann man ihn besiegen!
Halo-Effekt: Ein auffälliges Merkmal eines Bewerbers (vielleicht ein selbstsicheres Auftreten, Wortgewandtheit oder ein Titel) überstrahlt wie ein Heiligenschein („Halo“) andere Merkmale dieser Person und lässt diese dadurch schwächer wirken. So wird z. B. eine redegewandte Person häufig automatisch als besonders kompetent eingeschätzt oder nicht einwandfreie Kleidung mit einer nachlässigen Arbeitsweise verbunden.
Milde-/Strenge-Effekt: Der Effekt beschreibt die Neigung zu Extrembeurteilungen. Das kann entweder eine Tendenz zur Milde oder eine Tendenz zur Strenge sein, je nachdem, ob die beurteilende Person ein etwas niedrigeres Anspruchsniveau hat, weil sie den Bewerber immer in einer besonderen Situation sieht und daran glaubt, dass sich jeder entwickeln kann, oder ob die beurteilende Person besonders kritisch sein möchte, um bei der Auswahl keine Fehler zu machen.
Benjamin-Effekt: Ist ein Bewerber noch sehr jung oder hat er noch noch nicht so viel Erfahrung, dann wird dieser Person häufig weniger zugetraut. Im extremen Fall werden erbrachte Leistungen strenger beurteilt als bei älteren Mitstreitern, die mehr Erfahrung haben.
Primacy-Effekt (synonym: „First-Impression-Effekt“): Wenn ein Bewerber oder ein Teilnehmer eines Assessment Centers gleich am Anfang mit einem guten Start punkten kann – sei es durch einen Erfolg in einer der ersten Übungen oder mit einer überzeugenden Antwort auf eine Frage – dann bewirkt der Primacy-Effekt, dass alle weiteren Eindrücke so bewertet werden, dass sie den ersten Eindruck unterstützen. Weniger gute Leistungen werden also weniger kritisch gesehen.
Tendenz zur Mitte: Hier werden Extrembewertungen vermieden und überproportional häufig Leistungen im mittleren Segment der jeweiligen Skala zugeschrieben.
Kleber-Effekt: Werden Mitarbeiter über längere Zeit nicht befördert, so werden sie von Beurteilenden häufig – unbewusst – unterschätzt und schlechter bewertet.
Hierarchie-Effekt: Verfällt man diesem Bewertungsfehler, so bewertet man Mitarbeiter, die hierarchisch höher angesiedelt sind, als andere Mitarbeiter, besser – nur aufgrund der höheren Hierarchieebene.
Nähe-/Sympathie-Effekt: Ist der Beurteilte dem Beurteilenden in einigen Dingen ähnlich – gleiches Hobby, gleicher Studiengang, Herkunftsort – so entsteht eine gewissen Sympathie, und der Beurteilende neigt zu einer positiveren Bewertung. Weckt der Beurteilte allerdings Erinnerungen an Personen, mit denen man eine schlechte Erfahrung gemacht hat, so tendiert der Beurteilende zu einer negativeren Beurteilung.
Fazit
Sobald man Mitarbeiter leitet, Personalgespräche führt oder Assessment-Center durchführt kommt man in den Bereich der Beurteilung. Und natürlich sollte diese immer so objektiv wie möglich stattfinden. Das gelingt aber nicht immer, denn wenn Menschen aufeinander treffen, geht es auch immer um Emotionen. Auch unser Gehirn trägt eine Mitschuld, denn es neigt zu Vereinfachungen und bevorzugt Schemata, die allerdings zu Wahrnehmungsfehlern führen können.
Doch – wie heißt es so schön: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Wenn Ihnen die hier beschriebenen Fehler nicht passieren, reduziert sich Ihr Risiko von Fehleinschätzungen, die z. B. zu Einstellungen von ungeeigneten Mitarbeitern führen könnten, um ein Vielfaches.