Arbeitszeiterfassung
In Deutschland gilt die Pflicht zur formellen Arbeitszeiterfassung. Was es damit auf sich hat, lesen Sie hier:
Was ist Arbeitszeiterfassung?
Seit dem 01. Juli 1994 gilt in Deutschland das sogenannte „Arbeitszeitgesetz“, das Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern einheitliche Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeit von Arbeitskräften vorschreibt. Konkret regelt das entsprechende Gesetz beispielsweise Höchstarbeitszeiten, Ruhezeiten oder Pausenzeiten.
Das Arbeitszeitgesetz stellt also einen maßgeblichen Bestandteil des sozialen Arbeitsschutzes dar. Dabei geht es in erster Linie darum, die Mitarbeitergesundheit zu wahren, indem körperliche Überarbeitung oder mentale Probleme und Krankheiten, die durch eine zu hohe Beanspruchung entstehen können (z.B. Burnout oder Depression), vermieden werden.
Das Gesetz ist bundesweit grundsätzlich für sämtliche Arbeitnehmer*innen gültig. Einige Berufsgruppen sind allerdings von der grundsätzlichen Wirksamkeit ausgeschlossen:
- Jugendliche unter 18 Jahren
- Für Jugendliche unter 18 Jahren gelten Sonderregelungen, die durch das Jugendarbeitsschutzgesetz geregelt werden.
- Soldatinnen und Soldaten
- Leitende Angestellte und Chefärztinnen und -ärzte
- Leiter*innen öffentlicher Dienststellen
- Beschäftigte im liturgischen Bereich
- Arbeitskräfte auf Handelsschiffen
- Arbeitskräfte in der Luftfahrt
Als Arbeitszeiterfassung werden in dem Kontext sämtliche Möglichkeiten der arbeitgebenden Instanz bezeichnet, die regelmäßige Arbeitszeit der Arbeitskräfte zu dokumentieren. Eine entsprechende Kontrolle kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein. So zeichnet sie nicht nur auf, ob eine Arbeitskraft ihren Verpflichtungen nachkommt, sondern ermöglicht Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern außerdem, die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Pausen- und Ruhezeiten nachzuvollziehen und bei Nicht-Einhaltung zeitnah einzuschreiten.
Bisher galt in Deutschland nur die Verpflichtung, Überstunden sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen zu dokumentieren.
Webinar
Arbeitszeiterfassung in der EU
Der Europäische Gerichtshof hat 2019 ein Urteil gefällt, das sämtliche Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dazu verpflichtet hat, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter*innen systematisch zu erfassen. Dabei forderte der Gerichtshof auch, dass die EU-Mitgliedsstaaten entsprechende Regelungen in die nationalen Arbeitszeitgesetze aufzunehmen haben, legte dafür allerdings keine konkrete Frist fest.
BAG-Urteil zur Arbeitszeiterfassung
Das Bundesarbeitsgericht entschied diesbezüglich im September 2022, dass in Deutschland bereits heute eine entsprechende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt. Während die meisten deutschen Instanzen bisher davon ausgegangen sind, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs noch in gesetzliche Regelungen umzusetzen sei, beruft sich das Bundesarbeitsgericht auf §3 des Arbeitsschutzgesetzes, der besagt, dass ein Arbeitgeber sämtliche Maßnahmen des Arbeitsschutzes treffen müsse, die die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitskräfte beeinflussen. Hieraus leite das Gericht ab, dass eine arbeitgebende Instanz dazu verpflichtete ist, Systeme zur Zeiterfassung im Unternehmen zu implementieren.
Somit steht fest: In Deutschland herrscht bereits die Pflicht, die Arbeitszeit sämtlicher Arbeitskräfte systematisch zu erfassen.
Was sind geeignete Systeme zur Arbeitszeiterfassung?
Bisher hat das Bundesarbeitsgericht sein Urteil noch nicht formal begründet, sodass viele Fragen zur Zeiterfassung noch offenbleiben. So auch die Frage nach der formalen Gestaltung der Zeiterfassung. Das Urteil der EU hat besagt, dass entsprechende Programme verlässlich, objektiv und leicht zulässig sein sollten. Konkret heißt das auch, dass nicht nur der Anfang und das Ende der Arbeitszeiten aufgezeichnet werden sollen, sondern dass darüber hinaus auch die Pausenzeiten zuverlässig dokumentiert werden sollten. Welche Vorgaben allerdings für Deutschland im konkreten gelten sollen, ist bisher nicht bekannt.
Bisher können Unternehmen deshalb weitestgehend selbst entscheiden, wie die Arbeitszeiterfassung geregelt werden soll. So besteht unter anderem weiterhin die Möglichkeit, mit Formularen in Papierform zu arbeiten, eine Stechuhr einzusetzen oder eine softwarebasierte Lösung zu wählen.