10 häufige Beurteilungsfehler bei Bewerbern

In unserem Leben werden wir ständig von unzähligen Eindrücken, Wahrnehmungen und Informationen überflutet. So auch im beruflichen Kontext bei der Auswahl geeigneten Personals. Bei der Filterung der Informationen, die man durch Bewerbungsunterlagen oder Interviews erhält, unterlaufen dem menschlichen Gehirn – ganz egal, wie professionell geschult – oftmals Fehler. Hier erfahren Sie, welche Fehler das sind, wie Sie diese vermeiden können und warum das insbesondere bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von besonderer Bedeutung ist.

Zum Whitepaper: 5 Tipps für Ihr Employer Branding

Wie entstehen Beurteilungsfehler?

Das menschliche Gehirn ist tagtäglich einer enormen Informationsflut ausgesetzt, weshalb es Strategien entwickelt hat, entsprechende Reize und Informationen möglichst effizient zu verarbeiten und Situationen zu beurteilen. Zu entsprechenden Filterfunktionen zählen beispielsweise Vereinfachungen, Schemata oder Prototypen, die dabei helfen sollen, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden. Entsprechende Denk- und Reflexionsmuster finden auch dann Anwendung, wenn Führungskräfte eines Unternehmens in Bewerbungsgesprächen sitzen und versuchen, sich einen objektiven Eindruck einer Fachkraft zu verschaffen. Doch durch die Interpretation von Informationen in Sekundenschnelle können Fehler bei der Beurteilung einzelner Aspekte entstehen, die beispielsweise aus eigenen Erfahrungen, Wahrnehmungsverzerrungen, der eigenen persönlichen Situation oder auch einfach der aktuellen Gesprächsumgebung hervorgehen und eine objektive Beurteilung ausschließen.

Ist einem die Gefahr entsprechender Beurteilungsfehler allerdings bewusst, lassen sie sich oftmals vermeiden. Zunächst allerdings zur Frage, welche Wahrnehmungsverfälschungen es eigentlich gibt.

Welche Beurteilungsfehler gibt es?

1: Der Primacy-Recency-Effekt

Der Primacy-Recency-Effekt thematisiert den Einfluss und die Bedeutung der Reihenfolge, in der die Bewerbungsgespräche geführt werden. Konkret heißt das, dass sowohl das erste als auch das letzte an einem Tag geführte Bewerbungsgespräch in besonderem Maße im Gedächtnis bleiben und dadurch oft anders wahrgenommen und beurteilt werden als die dazwischen liegenden Vorstellungsgespräche. Das kann dazu führen, dass die „Sandwich-Kandidaten“ gegenüber den ersten und letzten Bewerberinnen und Bewerbern in der Bewertung schneller in Vergessenheit geraten und dadurch untergehen.

2: Der Reihenfolgen-Effekt

Genau wie der Primacy-Recency-Effekt setzt sich auch der Reihenfolgen-Effekt mit der Beurteilungsmacht der Reihenfolge der Bewerberinnen und Bewerber auseinander.

Hierbei gilt: Tritt der erste Kandidat eines Tages souverän auf und hinterlässt einen exzellenten Eindruck, so liegt die Messlatte für alle darauffolgenden Bewerberinnen und Bewerber unbewusst höher. Gleiches gilt allerdings auch für das gegenteilige Szenario. Wird die erste Bewerberin oder der erste Bewerber als schwach wahrgenommen, so wird die Messlatte für die nachfolgenden Vorstellungsgespräche gesenkt.

3: Der Kontrast-Effekt

Auch im Rahmen des Kontrast-Effektes spielt die Reihenfolge der geführten Bewerbungsgespräche eine Rolle. Dieser Effekt besagt, dass jede sich bewerbende Person unbewusst sowohl mit seinem direkten Vorgänger als auch Nachfolger verglichen wird.

4: Der Nikolaus-Effekt

Der Nikolaus-Effekt, auch als „Recency-Effekt“ bezeichnet, geht auf die Kindergeschichte des Nikolauses zurück: Kommt der Nikolaus, so wird das Verhalten der Kinder bewertet. Doch Achtung, in den meisten Fällen wird hier nicht das Verhalten während des gesamten zurückliegenden Jahres betrachtet, sondern vor allem das der letzten Tage und Wochen.

Dieses Phänomen lässt sich auch im Rahmen der Personalbeurteilung erkennen: Verhalten sich also Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kurz vor dem Beurteilungsgespräch besonders gut und erzielen maßgebliche Erfolge, so liegt die Tendenz nahe, dass ihre Beurteilung positiv ausfällt, und das unabhängig davon, welche Leistungen sie z. B. in den ersten Monaten des Beurteilungszeitraums erbracht haben.

Kurzfristiger kann der Nikolaus-Effekt allerdings auch im Rahmen der Personalauswahl auftreten. Hier beschreibt er in erster Linie das Phänomen, dass die späteren Aussagen in einem Bewerbungsgespräch in vielen Fällen die Wahrnehmungen der Personalerin oder des Personalers stärker prägen als Aussagen, die bereits zu Beginn des Gesprächs getroffen werden. Gleiches gilt, wenn sich Eigenschaften, Überzeugungen oder Fähigkeiten erst im späteren Verlauf des Bewerbungsprozesses zeigen.

5: Der Halo-Effekt

Das Wort „halo“ stammt aus dem Englischen und wird als „Heiligenschein“ ins Deutsche übersetzt. Übertragen auf die Personalauswahl besagt der Halo-Effekt also, dass eine Eigenschaft der sich bewerbenden Person alle anderen Fähigkeiten und Kompetenzen überstrahlt und in den Schatten stellt. Von einer Einzelleistung wird also in diesen Fällen auf eine ähnliche Gesamtkompetenz geschlossen.

Der Halo-Effekt besagt außerdem, dass Menschen oftmals von dominanten äußeren Merkmalen auf innere Kompetenzen schließen. So haben beispielsweise zahlreiche Studien ergeben, dass besonders attraktiven Menschen in vielen Fällen höhere fachliche Kompetenzen zugesprochen werden.

6: Der Pygmalion-Effekt

Der Pygmalion-Effekt beschreibt die Wirksamkeit des ersten Eindrucks. Das heißt konkret, dass das menschliche Gehirn in der ersten Interaktion mit einer Bewerberin oder einem Bewerber ein Urteil über die jeweilige Person fällt, das sämtliche folgende Beurteilungen maßgeblich beeinflusst. Unbewusst wird also in sämtlichen Interaktionen versucht, die Richtigkeit des ersten Eindrucks sowie des ersten Urteils zu bestätigen. Dabei werden andere Eigenschaften, Leistungen und Attribute ausgeblendet, sodass die Gesamteinschätzung verfälscht wird.

7: Der Similar-to-me-Effekt

Bei der Beurteilung anderer Menschen können ganz verschiedene Beurteilungsmaßstäbe Anwendung finden. So beispielsweise auch die eigene Person. Studien haben ergeben, dass Menschen, die uns selbst ähnlich sind, unbewusst auf uns nicht nur sympathischer, sondern in vielen Fällen auch kompetenter als andere Menschen wirken.

Auf die Personalauswahl bezogen heißt das, dass Personalerinnen und Personaler oftmals Menschen, in denen sie sich selbst wiedererkennen – die also beispielsweise an der gleichen Uni studiert haben, einen ähnlichen Werdegang aufweisen oder die gleichen Hobbies und Eigenschaften haben – durch die entstehende Sympathie bevorzugen und diese mitunter besser beurteilen als Bewerberinnen und Bewerber mit objektiv gleicher oder sogar besserer Qualifikation. Durch entsprechende Vergleiche verliert die Beurteilung also an Objektivität.

Gleiches Phänomen kann allerdings auch umgekehrt auftreten: Erkenne ich in einer Person meine eigenen Schwächen und Fehler, so lehne ich sie schneller ab, oftmals, ohne ihre Qualifikationen ausreichend zu prüfen.

8: Der Benjamin-Effekt

Der sogenannte Benjamin-Effekt besagt, dass jüngeren Kandidatinnen und Kandidaten, wie beispielsweise Berufsanfängern, oft unbewusst weniger zugetraut wird als älteren sich bewerbenden Personen, sodass sie mitunter strenger bewertet werden.

Auch hier ist das gegenteilige Phänomen allerdings durchaus denkbar: Jüngere Fachkräfte werden aufgrund der fehlenden Berufserfahrung unterschätzt, sodass bei ihnen ein besonders geringer Bewertungsmaßstab angesetzt wird.

Kern des Benjamin-Effekts ist also die Einschätzung einer Fachkraft aufgrund ihres Alters und nicht ihrer Kompetenzen.

9: Schubladendenken

Denken Personalerinnen und Personaler in Schubladen, so beurteilen sie Arbeitskräfte oftmals anhand ihrer sozialen Rollen und damit einhergehenden Stereotypen, Vorurteilen und Hierarchien und nicht anhand der tatsächlichen Fähigkeiten und Kompetenzen. So gelten junge Frauen beispielsweise oftmals als weniger durchsetzungsfähig, dafür allerdings als sozial kompetent. Jüngere Fachkräfte haben den Ruf, die Work-Life-Balance in den Fokus der Arbeitsplatzsuche zu stellen, und älteren Kandidatinnen und Kandidaten wird die fehlende technische Kompetenz unterstellt.

10: Logikfehler

Logische Fehler bei der Personalauswahl entstehen vor allem dann, wenn Personalerinnen und Personaler ihre Schlüsse auf Basis des Wenn-Dann-Schemas ziehen. Das heißt, sie interpretieren in das Gesagte oder die Handlungen weitere Charaktereigenschaften und Haltungen hinein.

Hier ein Beispiel: Tritt eine Bewerberin oder ein Bewerber eher zurückhaltend auf, so kann der entsprechenden Person nach dem Wenn-Dann-Schema ein geringes Durchsetzungsvermögen unterstellt werden, wohingegen kommunikative Kandidatinnen und Kandidaten oftmals als durchsetzungsstark gelten.

Wie können Beurteilungsfehler vermieden werden? Praktische Tipps und Tricks

Mit dem Bewusstsein darüber, dass es Beurteilungsfehler gibt und niemand sich vollständig von einer gewissen Subjektivität freimachen kann, ist der erste Schritt zur Überwindung entsprechender Fehler getan.

Darüber hinaus können folgende Tipps und Tricks dabei helfen, in Zukunft objektivere Entscheidungen zu treffen:

  • Bewerbungsgespräche nicht alleine führen: Vier Augen sehen mehr als zwei. Anhand dieses Prinzips beurteilen mehrere Personen – zum Beispiel eine Personalerin oder ein Personaler, die zukünftig direkt vorgesetzte Person, eine Abteilungsleiterin oder ein Abteilungsleiter oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – die Eigenschaften, Fähigkeiten und Kenntnisse der Bewerberin oder des Bewerbers. Auf diese Weise sollen subjektive Bewertungen ausgeglichen und Bewertungsfehler aufgedeckt werden. Hierzu kann es hilfreich sein, Nachgespräche bezüglich der jeweiligen Person in unmittelbarem Anschluss an das Vorstellungsgespräch zu führen.
  • Standardisierter Fragenkatalog: Um die Bewerbenden möglichst objektiv miteinander vergleichen zu können ist es unumgänglich, ihnen die gleichen Fragen zu stellen und dadurch eine Bewertungsgrundlage zu schaffen. Darüber hinaus sorgt man so dafür, dass sämtliche Gespräche in etwa gleich ablaufen. Auch zur Auswertung der jeweiligen Interviews werden im Optimalfall standardisierte Beurteilungsbögen verwendet. Dazu sollten die einzelnen Beurteilungskriterien im Vorfeld bereits gewichtet werden, und es sollte festgelegt werden, welche Kriterien und Charakteristika für die zukünftige Arbeitskraft unumgänglich sind und welche wiederum eine Beschäftigung ausschließen.
  • Trennen von Beobachtung und Bewertung: Um die Objektivität der Beurteilung zu steigern ist es wichtig, die Beobachtung und Bewertung einer Kandidatin oder eines Kandidaten zu trennen. Hierzu kann es sinnvoll sein, das Vorstellungsgespräch durch systematische Notizen zu protokollieren, um dadurch sämtliche Informationen zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung zu haben und sich zunächst auf die reine Beobachtung zu fokussieren. Im Anschluss an das Gespräch kann es nun mittels der Mitschriften anhand standardisierter Beurteilungsbögen ausgewertet werden.
  • Bewusstsein über die Inhalte schaffen: Beim Vermeiden von Beurteilungsfehlern kann es sinnvoll sein, Erscheinungsmerkmale so weit wie möglich auszublenden, um dadurch Qualifikationen und Leistungsmerkmale in den Fokus der Betrachtung zu rücken.
Zum Whitepaper: 5 Tipps für Ihr Employer Branding

Service Telefon

Gerne stehen wir Ihnen am Telefon beratend zur Verfügung. Rufen Sie uns an!

+4952144813990

E-Mail an den Support

Unser freundlicher Support beantwortet gerne Ihre Fragen per E-Mail.

Nachricht schreiben